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Projekt: Ökologie

Ökologie der Trockensteinmauern

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Trockensteinmauern sind Bauwerke, die vielen Tieren und Pflanzen Lebensraum bieten können. Die Erhaltung dieser Lebensräume ist zu fördern. Als vom Menschen gebaute Objekte der Kulturlandschaft, die gleichzeitig Lebensraum für viele bedrohte Arten bieten, spielen Trockensteinmauern eine wichtige Rolle im Bereich der Erhaltung der Biodiversität. Als lineare Landschaftselemente leisten sie einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Vernetzung. Der Nutzen von Trockensteinmauern für die Biodiversität ist besonders hoch, wenn sie mit anderen für die Biodiversität bedeutenden Landschaftselementen (Hecken, Magerwiesen, Gewässer, Lesesteinhaufen und –wälle, Hochstaudensäume) zusammenwirken. Bei der Sanierung von Trockensteinmauern ist ein besonderes Augenmerk auf die Erhaltung der weiteren Landschaftselemente, insbesondere begleitende Hochstaudensäume, zu richten.

Der ökologische Wert der Trockensteinmauern kann aus zwei Blickwinkeln beschrieben werden:

  • "Nahsicht": Der ökologische Wert der Einzelmauer als Lebensraum für verschiedene Tiere und Pflanzen.
  • “Fernsicht": Der ökologische Wert des Netzwerkes der verschiedenen Mauern in der Landschaft. Die Trockensteinmauern bilden ein vernetzendes Landschaftselement neben anderen Landschaftsstrukturen (Hecken, Magerwiesen, Gewässer etc.).

Der ökologische Wert von Trockensteinmauern ist in beiden Betrachtungsweisen gross. Beide Bereiche sind zu fördern.

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„Nahsicht“, Ökologischer Wert der Einzelmauern als Lebensraum für verschiedene Tiere und Pflanzen

Die Besiedlung einer Mauer, die aus neu gebrochenen, 'sterilen' Steinen besteht, erfolgt von den benachbarten Lebensräumen aus. Entscheidend dabei ist der Aktionsradius der Tiere, wie schnell sie sich fortbewegen können und welche Ansprüche sie an den Lebensraum stellen. Dies macht deutlich, wie wichtig bei neu erstellten Mauern eine vielgestaltige Umgebung und bereits besiedelte alte Mauern sind. Bei Sanierungen ist deshalb etappenweise vorzugehen, so dass immer alte Mauerstücke in der Umgebung vorhanden sind und die Wiederbesiedlung der sanierten Mauerstücke problemlos erfolgen kann. Auch durch das Stehenlassen von noch intakten Mauerabschnitten finden mobile Arten Ersatzlebensraum und die Wiederbesiedlung der neuen Mauer kann rascher erfolgen. Normalerweise verläuft die Besiedlung von Trockensteinmauern durch Pflanzen und Tiere ohne Zutun des Menschen. Durch strukturelle Erleichterungen zur sicheren Zuwanderung von Tieren aus der Umgebung kann die Besiedlung gefördert werden. Wichtig ist auch, dass der Durchgang durch das Spaltensystem der Mauer bis zum Erdreich nicht unterbrochen wird. Im Weiteren kann unter Umständen versucht werden, durch den Einbau von Höhlen und Durchgängen die Mauer für Tiere und Pflanzen als Brut- und Überwinterungsort attraktiver zu machen. Beispielsweise kann mit dem Einbau von Nisthilfen oder Höhlen in die Trockensteinmauer die Ansiedlung von höhlenbrütenden Vogelarten gefördert werden. Dies soll aber durch die zuständigen kantonalen Behörden bewilligt werden (Art. 19 NHG). Ob und wie eine Ansiedlung der Artenvielfalt dient, muss im Einzelfall abgeklärt werden.

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Säugetiere, die Trockensteinmauern als Lebensraum benutzen, sind auf ausreichend grosse Hohlräume angewiesen. Eine zu kleinteilige Hintermauerung ist zu vermeiden, da sonst zu wenig Spalten und Hohlräume vorhanden sind. Zu den Säugetieren, die Trockensteinmauern bewohnen, zählen u.a. Mäuse, Wiesel, Igel, Siebenschläfer und Fledermäuse.

Trockensteinmauern werden von Säugetieren selbständig besiedelt. Allerdings kann durch den Einbau von Höhlen ein Angebot für die Besiedlung geschaffen werden. Bei Sanierungen muss berücksichtigt werden, dass im Winter einige Säugetiere Trockensteinmauern als Winterquartier benutzen und nicht fliehen können.

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Siebenschläfer, gefunden beim Mauerabbau in Verdabbio 2005

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Trockenmauern stellen für Amphibien, vor allem aber für die wärmeliebenden Reptilien, wertvolle und überaus wichtige Lebensraumelemente in der Kulturlandschaft dar. Viele Arten nutzen das Mauerwerk als Jahreslebensraum: Sie leben das ganze Jahr über ununterbrochen an oder in der Mauer. Andere Arten brauchen das Mauerwerk zumindest temporär, beispielsweise als frostsicheres Winterquartier. Das Mauerwerk dient auch als Sonnen- und Versteckplatz, als Jagdgebiet und als Eiablagestelle. Wichtig sind Trockenmauern auch als funktionale Verbindungskorridore zwischen zwei Teillebensräumen.

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Alle Typen von Trockenmauerwerk sind für Amphibien und Reptilien nutzbar. Ausgenommen ist das kombinierte Naturstein-Betonmauerwerk, das in der Regel die Ansprüche der beiden Artengruppen nicht erfüllen kann. Besonders wertvoll sind einhäuptige Konstruktionen, z.B. bei EH2S, EH3S, EH1S, EHBlock, EHKorb, die zusätzlich mit geeignetem Material hintermauert oder hinterfüllt sind. Dieses sollte grösstenteils aus einer heterogenen Mischung von Steinen mit mindestens 20 - 40 cm Durchmesser bestehen, damit ausreichend nutzbare Hohlräume und Gangsysteme vorhanden sind. Wichtig für Amphibien und Reptilien ist eine ausreichende Fugenbreite, die stellenweise mindenstens 20 – 30 mm betragen sollte, bei Vorkommen grosser Arten auch 40 – 50 mm. Am Mauerfuss sind gezielt Zugänge zu schaffen. Von einer Verfüllung mit feinerem Material ist nach Möglichkeit abzusehen. Die Hintermauerung oder Hinterfüllung muss für Amphibien und Reptilien unbedingt zugänglich sein; auf den Einsatz von Filtervliesen ist entsprechend wenn immer möglich zu verzichten. Besonders wertvoll sind frostfreie Bereiche in einer Tiefe(h) von mehr als 100 cm, die als Winterquartier dienen. 

Trockensteinmauern werden von Amphibien und Reptilien selbstständig besiedelt, von Ansiedlungen ist abzusehen. Bei Sanierungen muss berücksichtigt werden, dass Amphibien und Reptilien Trockensteinmauern als Winterquartier benutzen und während der Winterstarre nicht fliehen können. Der Abbau von Mauern mit Maschinen ist schädlicher als der Abbau von Hand. Bei einer etappenweise ausgeführten Sanierung können die Tiere in alte Mauerabschnitte ausweichen oder versetzt werden.

Bei Trockenmauerprojekten (Sanierungen und Neubau), muss abgeklärt werden ob sich im Projektgebiet eine bekannte Population von Amphibien oder Reptilien befindet. Diese Angaben können bei der karch (www.karch.ch) und den kantonalen Naturschutzämtern in Erfahrung gebracht werden. In Absprache mit diesen Fachstellen / Ämtern kann das optimale Vorgehen festgelegt werden, oder Zusatzmassnahmen im Gebiet geplant werden (Asthaufen, Steinlinsen etc).

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Die kleinen Bewohner von Trockenmauern (Spinnen, Insekten, Schnecken) werden kaum beachtet, stellen aber die bei weitem größte Gruppe von Tieren dar, die Trockenmauern als Lebensraum nutzen. Die Mobilität der verschiedenen Gattungen und Arten ist unterschiedlich. Ameisen, Wanzen und Spinnen sind sehr mobil und können schnell größere Flächen besiedeln. Gliederfüßer (Hundertfüßer, Tausendfüßer und Käfer) und Schnecken sind nicht so mobil. Sie brauchen mehr Zeit, um sich anzusiedeln. Nur in älteren Trockenmauern sind Tiere mit sehr kleinem Aktionsradius oder sehr speziellen Anforderungen zu finden, Schnecken zum Beispiel sind auf Feuchtigkeit und Humus angewiesen und bewegen sich sehr langsam. Auch Asseln sind auf ausreichend Feuchtigkeit und Humus angewiesen, und die Raupen einiger Schmetterlinge, die auf Nahrungspflanzen an Mauern spezialisiert sind (z.B. Flechten, Sedum), besiedeln die Mauer nur, wenn die entsprechende Pflanze vorhanden ist.

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Trockenmauern werden selbständig von Spinnen, Insekten und Schnecken besiedelt. Der Einbau von Hohlräumen kann möglicherweise die Ansiedlung von Hummeln, Wespen und Hornissen begünstigen.

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Einige Vogelarten (z. B. höhlenbrütende Vögel wie Wiedehopf, Meisen, Steinschmätzer, Steinkäuze und Wasseramseln) nutzen gerne geeignete Hohlräume in Trockenmauern zum Brüten. Eine zu kleine Hintermauerung sollte vermieden werden, da sonst zu wenig Spalten und Hohlräume vorhanden sind. Der Einbau geeigneter Höhlen kann die Ansiedlung an geeigneten Stellen unterstützen. Einige höhlenbrütende Vogelarten (z. B. Wiedehopf, Wendehals, verschiedene Meisenarten, Steinschmätzer, Steinkauz und Wasseramsel) nutzen gerne geeignete Hohlräume in Trockenmauern zum Brüten. Während Meisenarten bereits kleine Höhlungen als Nistplätze nutzen, benötigen größere Arten wie der Wiedehopf oder der Steinkauz Nischen mit einem größeren Volumen. Einen Sonderfall stellt die Wasseramsel dar, da sie an Standorte entlang von Wasserläufen gebunden ist. Das Anbringen von Höhlen oder spezifischen Nisthilfen an geeigneten Standorten kann die Ansiedlung von höhlenbrütenden Vogelarten fördern (vgl. SVS/Bird Life Schweiz Merkblatt „Bau von Habicht-Nisthilfen“). Eine zu kleine Rückwand sollte vermieden werden, da sonst zu wenig Spalten und Hohlräume vorhanden sind. Beim Anbringen von Nisthöhlen ist darauf zu achten, dass auch bei starkem Regen kein Oberflächen- oder Sickerwasser in das Nest gelangt.

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Die Vegetation von Trockensteinmauern ist auf diesen Lebensraum spezialisiert. Die Entwicklung einer Mauervegetation kann Jahrzehnte dauern und beginnt mit der Besiedlung der Steinoberflächen durch sogenannte Kryptogamen, zu denen Algen, Pilze, Moose und Flechten gehören. Letztere sind Organismen, in denen Pilze und Algen in Symbiose wachsen. Kryptogamen sind wechselfeucht. Sie können daher austrocknen, ohne abzusterben. Später, wenn sich in den Fugen Humus gebildet hat, können sich Farne und Blütenpflanzen an den Wänden ansiedeln. Die Besiedlung erfolgt in der Regel durch das Eindringen von Samen durch Wind, Insekten und Vögel. Typische Pflanzenarten sind solche, die längere Trockenperioden überstehen können, wie Streifenfarn, Mauerpfeffer, Hauswurz und Zimtkraut. Je nach Ausrichtung, Gesteinsart und Alter der Mauern treten unterschiedliche Pflanzenarten und Pflanzengemeinschaften auf.

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Die Pflanzen brauchen während der Besiedlung keine Unterstützung, aber wenn möglich, werden mit Flechten oder Moos bewachsene Steine wieder in die neue Mauer eingesetzt (gleiche Exposition). Bei landwirtschaftlicher Nutzung in unmittelbarer Nähe sollte darauf geachtet werden, dass ein extensiv genutzter Krautsaum am Fuß der Mauer gefördert wird. Eine späte Mahd wäre eine Möglichkeit, um das Wachstum von Gehölzen zu verhindern. Bei ökologisch wertvollen Objekten ist ein ungedüngter und nicht mit Pestiziden behandelter Pufferstreifen von 3 bis 5 Metern entlang der Mauer unabdingbar, um die Bewohner der Mauern und deren Artenvielfalt nicht zu gefährden.

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“Fernsicht": Der ökologische Wert des Netzwerkes der verschiedenen Mauern in der Landschaft.

Die Trockensteinmauern bilden ein vernetzendes Landschaftselement neben anderen Landschaftsstrukturen (Hecken, Magerwiesen, Gewässer etc.).

Kriterien zur Erfassung und Bewertung ganzer Objektgebiete im örtlichen ökologischen Gesamtzusammenhang:

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  • Strukturelle Vielfalt des Objektgebiets

Zusammensetzung der Lebensraumtypen gemäss „Delarze + Gonseth, Lebensräume der Schweiz“ -> www.infoflora.ch/lebensraeume   sowie www.lebensraeume.unr.ch, siehe Anthropogene Steinfluren (Gibt Hinweise)

  • Ökologischer Stellenwert der Trockenmauer anhand der umgebenden Mauerlandschaft (alleinstehende/einzige Trockenmauer im Gebiet, Teil eines Mauerkomplexes von mehreren nahe beieinanderliegenden Einzelmauern oder Stützmauern in grossflächiger Terrassenlandschaft) (gering, mittel, hoch, sehr hoch)
  • Vernetzungsfunktion der Trockenmauer (gering, mittel, hoch, sehr hoch)
  • Qualität der Vernetzung zwischen den einzelnen Biotopen und Kleinstrukturen des Objektgebietes (gering, mittel, hoch, sehr hoch)
  • Qualität der Biodiversität des Objektgebiets (gering, mittel, hoch, sehr hoch)
  • Zonenart (Raumplanung)
  • ökologisch relevante wirtschaftliche Implikationen (z.B. Landwirtschaft, Verkehr, Sondernutzungen)

Inventareinträgen und Bewertungen (Schutzmassnahmen).